7 Zusammenfassung und Ausblick

Die Wäldner – salopp gesagt, ein Name der Vater, Bruder und Sohn meint – schafften es, eine Tradition innerhalb zweier Generationen zu entwickeln. Ihr schlichter und zurückhaltender Orgelbaustil spiegelt sich in ihrer deutsch-protestantischen Persönlichkeit wider oder ihre Persönlichkeit in ihrem Stil: keine großen Firmennamensschilder an den Spielschränken, keine öffentlichen Stellungnahmen zu Diskussionen in Fachzeitschriften zum Orgelbau, keine Extreme in Disposition oder Konstruktion, keine Expansion im späten 19. Jahrhundert, keine Konstruktionshallen, keine Werbung. Das ganze mit der Vermutung eines Hangs zur Sturheit gepaart, verleitet letztendlich aber zu dem Spruch: Beharrlichkeit führt zum Ziel (oder Ende)! Rund 50 % aller Instrumente (bei geschätzten 100) sind in unterschiedlichstem Zustand erhalten. Die Wäldner – man kann kaum sagen, ob es historische Berechnung war, im Gegenteil, man müsste sonst von hellseherischen Fähigkeiten ausgehen – fanden in ihrer Zeit einen Mittelweg zwischen Althergebrachtem, dessen Funktion sich schon über Jahrhunderte bewährt hatte und Neuem, wonach der Markt fragte (Klang). Die Zurückhaltung gegenüber konstruktiven Neuerungen ist daher verständlich. Es war im Grunde nicht absehbar oder erprobt, wie sich beispielsweise Schulzesche Erfindungen über die Zeit bewähren. Unklar war auch, ob sich alle Neuerungen durchsetzen. Gerade bei August Ferdinand hätte dieser Aspekt eine wesentliche Rolle gespielt (pneumatische Traktur/Kegellade). Hochromantische Instrumente wurden aus diesen Gründen, da sie eine Erscheinung ihrer Zeit waren, umgebaut, entfernt oder sogar zerstört. Die Diskussionen, die zur Zeit der Orgelbewegung geführt wurden, waren keine neuen. In der Romantik empfand man das Klangideal des Barock als unschön. Jemand, der das aus historischer Sicht erkannte, hatte vielleicht damals schon eine Vorstellung darüber, dass sich der Geschmack auch wieder ändern wird. Sollten die Wäldner eventuell dazu gehört haben? In diesem Fall hätten sie einen tief religiösen Anspruch an ihre Instrumente gestellt: Dass sie Gott loben und preisen in Ewigkeit, aber nicht unter der Bedingung welchen Klanges. Die Zeitlosigkeit wendet die Gefahr der Vernichtung ab. So muss gut überlegt sein, ob sie wirklich rückwärtsgewandt waren oder in die Zukunft blickten. Inwieweit der Ewigkeitsgedanke des Orgelbauers an die Existenz einer Orgel ausgeprägt war, kann hier nicht gemutmaßt werden. Doch ist es allgemein bekannt, dass solche Kircheninstrumente als Möbel lange Zeit überdauern. Zerfällt aber alters- und geschmacksbedingt das Œuvre eines Orgelbauers, tritt der Effekt der „Blauen Mauritius“ ein. Dann ist jedes erhaltene Instrument von großer Bedeutung. Das ist nun bei den Wäldnerschen Orgeln nicht der Fall, aber eine Chance. Vielen „glücklichen“ Umständen ist es zu verdanken, dass eine große Anzahl von Instrumenten erhalten ist: Es sind fast ausschließlich Dorforgeln, zwar von verschiedener Größe, aber in Kirchen des Landes zu finden, die im Krieg nicht Ziel der Gegner Deutschlands waren. Während der zwei Weltkriege fehlte den Dorfgemeinden das Geld für Neuanschaffungen. In der Zeit des Kalten Krieges hatten es die ostdeutschen Kirchen zudem schwer, und der Staat keine Interesse, die Instrumente zu pflegen. So mussten Gemeinden Jahre warten, bis es zu Reparaturen und Neubauten in der DDR kam. Wieder ein „glücklicher“ Umstand. Heute fehlen in den Gemeinden die Orgeln, wo scheinbar zu kalte Winter herrschten, die Instrumente Gegenstand persönlicher Anfeindungen (Befindlichkeiten) waren (und noch werden), Gemeindeglieder kündigen, der Nachwuchs ausbleibt und Gebäude insgesamt verfallen.

Wäldner-Instrumente bieten eine große Chance, ein Bild über die mitteldeutsche Orgelromantik zu skizzieren, besser gesagt zu vervollständigen.

Die vorliegende Arbeit will nicht historisch enden, obwohl sie fast Geschichte ist. Wäldner-Orgeln existieren noch, weshalb diese Arbeit erst entstand. Sie ist ein erster Schritt, die Orgelbauerfamilie mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Doch muss die Musikwissenschaft auf dem Gebiet der mitteldeutschen Orgelforschung noch Weiteres leisten. Auch wenn sie hier im Dienste der Denkmalpflege steht, erfährt sie gerade dadurch die Chance wieder mehr Bedeutung in der Kulturpolitik zu erlangen.

 

© 2020 | Michael Wünsche

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