4 Umbauten und Entwürfe

Neben Neubauten sind es vor allem Restaurationen, Reparaturen, Stimmungen und Umbauten an Instrumenten mit denen sich kleinere Orgelbaufirmen beschäftigen. Die gängige Praxis damaliger wie heutiger Orgelbauer ist es, auch Umbauten mit einer Opuszahl zu versehen. In wie weit dies bei den Wäldnern der Fall war, kann aus Gründen fehlender Unterlagen nicht eingeschätzt werden. Trotzdem sind in der Literatur bzw. in Quellen einige Instrumente als Umbauten ausgewiesen. Diese sollen hier Erwähnung finden. Außerdem gibt es Kostenvoranschläge für Umbauten bzw. Entwürfe für Neubauten, deren Ausführung nicht zustande kamen, die, bis auf Merseburg, hier keine Berücksichtigung finden. Weitere Informationen entnimmt man dem Verzeichnis über das Gesamtschaffen.

Auf Grund verschiedenster Betrachtungswinkel und Einschätzungen herrschen keine klaren Vorstellungen, wann es sich bei einer Instandsetzung einer Orgel um eine Reparatur, einen Umbau (bzw. Erweiterung) oder sogar um einen Neubau handelt. Diese Problematik kann eigentlich nur durch eine konkrete Analyse des Materials im Instrument gelöst werden. Gerade bei historischen Instrumenten gestaltet sich das Unterfangen als schwierig, da immer wieder Reparaturen, die auch ein Wechsel defekter Teile beinhalten konnten, stattgefunden haben. Von einem Neubau, z. B. unter Beibehaltung des Gehäuses, wird immer dann die Rede sein, wenn alle Teile neu gefertigt wurden. Wenn aber alte Teile aufgearbeitet wurden, um sie mit neuen zu mischen, verschwimmen die Grenzen. Ab welchem Umfang soll hier ein Neubau, da ein Umbau bezeichnet werden? Welche Teile betrifft dies im besonderen Maße?

Wenn nun in der Vergangenheit eine Wäldner-Orgel als Neubau oder Umbau bezeichnet wurde, muss kritisch hinterfragt werden, wie der Beschreibende kategorisierte. Eine Überprüfung der Instrumente war nicht möglich. So bleibt unklar, wie die im Folgenden aufgezählten Umbauten tatsächlich beschaffen waren.

Als quellenmäßig besonders schwierig einzuschätzen, ist das Werk der Kirche St. Ulrich in Halle (Abb. 22, S. 11). Friedrich Wilhelm Wäldner hat 1826 die 1675 von Förner und Compenius errichtete Orgel überarbeitet bzw. umgebaut.[1] An anderer Stelle findet man den Hinweis, dass die Wäldner-Orgel das alte Werk ablöste.[2] Hier wird die oben erwähnte Problematik besonders deutlich. Eine Ablösung würde für einen Neubau sprechen, bei dem unter Umständen das Gehäuse stehen blieb. Leider kann dies nicht mehr nachvollzogen werden. 1861 soll August Ferdinand Wäldner das Werk umgebaut haben.[3] Die Orgelbaufirma Rühlmann aus Zörbig baute 1905 das Instrument abermals um. Rühlmanns Eingriff muss erheblich gewesen sein. Das Werk op. 270 hatte, unter Beibehaltung des alten Prospekts, 45 Stimmen, verteilt auf drei Manuale und Pedal mit pneumatischer Traktur und spätromantischer Disposition. Der Hinweis, dass August Ferdinand die Orgel 1861 veränderte (umbaute), geht auf Michael Behrens zurück, der Ernst Flades nicht veröffentlichtes Orgelbauerlexikon, das maschinenschriftlich in der Deutschen Staatsbibliothek Berlin vorliegt, zitiert.[4]

1834 nahm Friedrich Wilhelm in Westeregeln einen Umbau vor, über den bislang nichts weiter bekannt ist (Abb. 23, S. 12).[5] Im Saalkreis wurden 1842 durch Friedrich Wilhelm in Zwebendorf und 1853 von August Ferdinand in Klepzig Veränderungen an den Kirchenorgeln vorgenommen.[6] 1845 erfolgte ein Umbau des Werkes in der halleschen Bartholomäuskirche.[7] In den Jahren des geschäftlichen Höhepunkts konnte August Ferdinand drei Orgeln umbauen. Die zwischen 1722 und 1725 von Wagner errichtete Orgel im Brandenburger Dom musste in den 50er Jahren repariert werden. Dafür schloss man mit August Ferdinand am 25.5.1858 einen Reparaturvertrag.[8] 1860 kam es zur Ausführung, bei dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich um einen Umbau handelte.[9] Im selben Jahr nahm er einen Umbau an der sich heute in der Kirche „Zur frohen Botschaft“ in Berlin-Lichtenberg-Karlshorst befindlichen Marx-Orgel von 1755 vor.[10] Das zweimanualige Instrument mit 22 Registern wurde ursprünglich von Ernst Marx im Schloss (Berlin, Marx-Engels-Platz) für Prinzessin Amalie aufgestellt. Um 1767 gelangte die Orgel in die Winterresidenz Prinzessin Amalies (Palais unter den Linden 7).[11] Nach dem Tod der Prinzessin 1787 verschenkte Prinz Ludwig von Preußen 1788 das Instrument an die Schlosskirche zu Berlin-Buch,[12] wo es bis 1956 verblieb.[13] Danach kam es an seinen heutigen Aufstellungsort in die Kirche „Zur frohen Botschaft“. Der Umbau fiel also in die Zeit, als sich die Orgel in der Schlosskirche zu Berlin-Buch befand.

Ein letzter Umbau der Werkstatt ist aus dem Jahr 1866 bekannt. August Ferdinand hatte laut Orgelfragebogen die Orgel der Bartholomäuskirche in Halle „[...] abgetragen, gereinigt und verbessert [...].“[14] Worauf sich die Verbesserung bezieht und in welchem Umfang Veränderungen vorgenommen wurden, geht nicht aus dem Fragebogen hervor. Eventuell ist es kein Umbau gewesen. Außerdem bleibt zu klären, ob es sich bei der Müchelner Orgel (1854) in der Kirche St. Jacobi tatsächlich um einen Neubau handelt.[15] Dies kann aber nur eine Analyse eines Orgelbauers ergeben.

Abgesehen von den hier aufgezählten Umbauten muss man annehmen, dass es noch wesentlich mehr Werke gab, von denen heute nichts mehr bekannt ist. Wahrscheinlich befinden sich unter den lapidar erwähnten Reparaturen Orgeln, die durchaus umdisponiert und umgebaut wurden. Im Gegensatz dazu könnten auch einige Neubauten einen großen Anteil alten Materials beherbergen – man denke besonders an die frühen Instrumente – wo eventuell nicht von einem im Kern neu erbauten Werk ausgegangen  werden kann.

 

[1] Vgl. Behrens, [o. O.] 1993, St. Ulrich, Halle; Vgl. Serauky, Halle 1942, Bd. 2,2, s. 497.

[2] Vgl. Lüdecke, Rudolf: Orgelmusik und Orgeln in Halle, in: Konzerthalle am Boulevard Halle/S., hrsg. von der Konzerthalle am Boulevard (Claus Haake), S. 40.

[3] Vgl. Behrens, [o. O.] 1993, St. Ulrich, Halle.

[4] Vgl. ebd. (=Flade, Ernst: Orgelbauerlexikon, um 1955, Maschinenschriftliches Manuskript im Besitz der Deutschen Staatsbibliothek Berlin.)

[5] Vgl. ebd., Dorfkirche, Westeregeln.

[6] Vgl. Stüven, Wiesbaden 1964, S. 222f.

[7] Vgl. Orgelfragebogen St. Bartholomäus, Halle-Giebichenstein, 12. Dezember 1936.

[8] Vgl. ORDA, Berlin 2005, Auszug (22.3.2005) August Ferdinand Wäldner (=DStA Bdbg, Rep. BDK 4311/2130, Bl. 44)

[9] Vgl. ebd. (=DStA Bdbg, Rep. BDK 4311/2130, Bl. 57)

[10] Vgl. ebd. (=Mitteilung Elke Lang, Berlin, Juni 1996; Bau- u. Kunstdkm., II, S. 240; Bullmann, II, S. 67)

[11] Vgl. ebd. (=Sievers, Johannes, K. F. Schinkel, 1954, S. 126; Bär 1877, Nr. 7, S. 63, Kraa-1916, S. 58-59; WAI-1880)

[12] Vgl. ebd. (=Bär 1877, Nr. 7; Wochenbl. Arc. Ing. [WAI] 1880, Nr. 24, S. 220; Münch. Pfannschmidt, Buch u. Karow, S. 105)

[13] Vgl. ORDA, Berlin 2005, Auszug (22.3.2005) August Ferdinand Wäldner (=AASP Buch)

[14] Orgelfragebogen St. Bartholomäus, Halle-Giebichenstein, 12. Dezember 1936.

[15] Vgl. Urania Jg. 1855 S. 36, ohne Baujahr.

 

© 2020 | Michael Wünsche

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