Brachwitz (1874)

Die einschiffige Dorfkirche, um 1500 erbaut, mit Veränderungen von 1725,[1] besitzt ein einmanualiges Werk August Ferdinands mit 7 Registern (Abb. 20, S. 10). Für den 1874 geplanten Orgelneubau lieferten neben Wäldner auch Adolf Reubke & Sohn, Hausneindorf, Friedrich Raspe, Bad Liebenwerda und E. Bennemann, Halle, Kostenvoranschläge.[2] Über die Geschichte der Orgel können bislang nicht viele Aussagen getroffen werden, da eine Akteneinsicht im Archiv zum jetzigen Zeitpunkt noch aussteht. Nichtsdestotrotz lassen sich einige Hinweise in Sekundärquellen finden.

„Anläßlich der Kirchenrenovation im Jahre 1931 wurde die Orgel völlig abgebaut u. wieder neu aufgebaut. Sie stand bis dahin auf einer sehr schmalen Empore hinter dem Altar, die abgerissen u. nicht wieder aufgebaut wurde.“[3]

Zu diesem Zeitpunkt war die Disposition original. Die durch die Konfiskation abgelieferten Prospektpfeifen wurden 1926 ersetzt. Im 20. Jahrhundert ersetzte ein unbekannter Orgelbauer die Traversflöte durch eine Quinte 2 2/3, bei der es sich aber um eine Rohrflöte handelt.[4] Durch diesen Eingriff verlor sie gänzlich ihren romantischen Charakter, da neben fehlenden Streichern der Grundstock, und damit einziger Hinweis auf die Romantik, der Grundstimmen auf zwei Achtfüßer reduziert wurde. Das Gehäuse, wieder mit abfallenden Seitenteilen, erhielt nach 1998 einen hellen Farbanstrich.[5] Zuvor war sie in einem dunklen Holzton gehalten. Der rechtsseitig angebrachte Spielschrank verweist noch auf die schmale Empore hinter dem Altar. Das Instrument ist ein frühes Zeugnis August Ferdinands für standardisierte Orgelmodelle, in denen sich zwar nicht mehr ganz moderne, aber im Orgelbau dieser Jahre gebräuchliche Technik befinden. Dazu gehört die wellenbrettlose Traktur in allen Werken, die chromatische Windlade und der in die Orgel eingelassene Magazinbalg mit am Gehäuse linksseitig angebrachtem Handschwengel. Solche Instrumente lieferte August Ferdinand nun öfter an Dorfkirchen. Abgesehen von der Dispositionsänderung ist das ursprüngliche Klangkonzept außergewöhnlich. August Ferdinand disponierte kleinere Werke eigentlich auf 4’ Basis. Die Brachwitzer Orgel besitzt demgegenüber einen kompletten Prinzipalchor, allerdings ohne Mixtur. Den Klang der Orgel könnte man heute als zerstört bzw. verloren beschreiben, da durch den Ersatz des achtfüßigen Registers durch eine Quinte die Orgel schrill und laut ist. Die Aufschnitthöhen der Subbasslabien sind durch Nachintonation so hoch, dass die Töne schwer und sehr spät ansprechen und dann nur ein dünnes Säuseln von sich geben. Außerdem sollte der Winddruck überprüft werden. Das Werk erhält dadurch einen entstellten Barockklang, der mit der Romantik nichts mehr zu tun hat. Trotzdem ist das Instrument gut spielbar und kaum verstimmt.

 

Disposition (1938)[6]

 

Manual C-f³

 

 

Pedal C-c¹

 

 

 

 

 

 

 

 

Prinzipal

8’

 

Subbaß

16’

 

Gedact

8’

 

 

 

 

Flöte Travers

8’

 

 

 

 

Prinzipal

4’

 

Pedalkoppel

 

 

Hohlflöte

4’

 

 

 

 

Oktave

2’

 

 

 

 

Disposition (2005)

 

Manual C-d³

 

 

Pedal C-c¹

 

 

 

 

 

 

 

 

Principal

8’

 

Subbaß

16’

 

Gedact

8’

 

 

 

 

Prinzipal

4’

 

 

 

 

Hohlflöte

4’

 

Pedalcoppel

 

 

Quinte[7]

2 2/3’

 

 

 

 

Octave

2’

 

 

  

[1] Vgl. Dehio, Berlin u. München 1976, Bd. II, S. 47.

[2] Vgl. Stüven, Wiesbaden 1964, S. 159 u. 218 ff.

[3] Orgelfragebogen Brachwitz, 26. November 1938.

[4] Auf dem Registerzug steht heute immer noch Flauto travers 8’.

[5] Vgl. Orgeln in Sachsen-Anhalt. Eintrag Brachwitz (=Aufnahme 24.9.1998)

[6] Orgelfragebogen Brachwitz, 26.11.1938.

[7] Bauweise=Rohrflöte.

 

© 2020 | Michael Wünsche