5.6 Prospekt- und Gehäusegestaltung / Werkaufbau

Friedrich Wilhelm war bezüglich seiner Gehäusegestaltung annähernd einfallslos. Sind die ersten Instrumente noch in barockem Stil mit so genannten Ohren an den Seiten und Vasen auf dem Gehäuse gehalten (Abb. 5/6, S. 3), entwickelte er seit 1829 (Wölpern) einen eigenständigen Stil, der auf klassizistische Elemente zurückgriff (Abb. 9/10, S. 5). Dazu gehört der Dreiecksgiebel (ab 1833, Schlaitz) über dem Mittelfeld des dreigliedrigen Prospekts und die kannelierten Pilaster, die jeweils jedes Pfeifenfeld an den Seiten flankieren. Höchstwahrscheinlich bekamen die Instrumente fast immer einen weißen Farbanstrich.[1] Die Akanthusschnitzereien, nach den Seiten hin abfallend, wurden vergoldet. Je nach Größe des Instruments wurde der Prospekt mit Pfeifen des Prinzipalregisters in 8’ oder bei kleineren Werken mit 4’ versehen. Neben dem klassizistischen Gehäusestil wandte er auch andere Formen an, die aber nach Meinung des Verfassers auf diverse Architekten zurückzuführen sind, da solche Instrumente meist im Kontext eines Kirchenneubaus entstanden (Unterfarnstädt; Abb. 11/12, S. 6). August Ferdinand übernimmt zuerst den Gehäusestil des Vaters, findet dann allerdings zu eigenen Formen, die nicht ständig wiederholt werden. Dabei greift er auf Elemente zurück, die allgemein im Orgelbau geläufig waren. Hierzu zählt der neogotische Stil (Sandersleben, Alsleben) mit seinen aufstrebenden Spitzbögen als Pfeifenfelder und Fialen auf den Gehäusen (Abb. 18/19, S. 9/10). Er arbeitet aber auch mit neoromanischen Elementen (Peißen, Hohenthurm; Abb. 36/37, S. 18/19), später oft mit Rundbögen (Fienstedt; Abb. 38, S. 19). Seine späten Instrumente werden dann oberflächlicher bzw. deuten Stile in rudimentärer Weise an (Lieskau; Abb. 21, S. 11). Alle Formen, Elemente und Stilistiken sind für das 19. Jahrhundert völlig typisch. Diese Orgelgehäuse stehen im Einfluss des Historismus, der allgegenwärtig war.

Verweisen die Register zwar oftmals auf ein Oberwerk bei zweimanualigen Instrumenten, bedeutet dies aber häufig, dass es sich um Hinterwerke handelt. Gerade bei kleineren Orgeln, wo ca. vier Register im zweiten Manual stehen, befinden sich die Windladen dazu direkt hinter dem Hauptwerk. Meist ist dies den Platzverhältnissen geschuldet und verwundert auch nicht, da solche Kleinwerke für Kirchen geringer Ausmaße waren, die keine große Disposition benötigten. Für größere Dorfkirchen wurde das Oberwerk als solches über dem Hauptwerk platziert. Die Pfeifenordnung wurde schon im Kapitel zur Windlade diskutiert.

August Ferdinand stuft bei seinen frühen Instrumenten die Seitenteile auf Höhe des Pedalwerks ab und perfektioniert dies später, in dem er sie schräg abfallen lässt und eine Art Abschlussgesims anbringt. Dies wird nach 1870 zu einem Markenzeichen. Ob damit ein bestimmter Effekt erzielt wird, konnte nicht untersucht werden. Nach Meinung des Verfassers besteht dadurch die Möglichkeit einer besseren Klangabstrahlung des Pedals, da es in einer Orgel fast immer hinter dem gesamten Pfeifenwerk der Manuale steht. Wobei das Manualwerk tieffrequente Schallwellen des Pedals wahrscheinlich nicht so stark absorbiert, weil tiefe Frequenzen durch ihre Wellenlänge in der Orgel kaum gebrochen werden. Eine Rechnung über die Wellenlänge des Subbass’ 16’ soll genaueren Aufschluss geben. Angenommen das Instrument ist auf a’=440 Hz gestimmt, würde C des Subbasses eine Frequenz von 32,70375 Hz besitzen. Bei einer Temperatur von 15°C beträgt die Schallausbreitung in der Luft 340 m/s. Nach der Formel λ=v/f ergäbe dies eine Wellenlänge von ca. 10,4 m für C. Da erfahrungsgemäß der tiefste Ton des Registers ca. 2,5 m Länge besitzt und eine gedeckte Pfeife ein Viertel ihrer Wellenlänge ausmacht, ergibt die Gegenrechnung ebenfalls das errechnete Ergebnis von ca. 10 m. Bei den kleinen Gehäusen der Dorf-Orgeln sind somit die Seitenteile für die Abstrahlung des Basses nicht von Bedeutung, dieweil sich die Wellen relativ ungehindert ausbreiten können. Vielmehr scheint es daher, für die höheren Register eine Rolle zu spielen. Doch disponierte August Ferdinand ebenfalls bei kleinen Orgeln kaum Register in der 8’-Lage oder höher. Somit bleibt es fraglich, wozu diese Gehäusekonstruktion beiträgt, zumal die Orgeln oben offen sind. Bei zu vielen Öffnungen kann wiederum das Gehäuse nicht mehr als Resonanzraum dienen. Bei einer Größe wie der Sanderslebener Orgel ist auch die Frage der Klangabstrahlung des Oberwerks nicht so relevant (was vielleicht davon profitieren könnte), weil dieses über dem Hauptwerk liegt und durch das Prospekt abstrahlen kann. Womöglich wirken sich die Seitenöffnungen nur auf die Pedal-Register Principal 8’ und Violoncello 8’ positiv aus. Nach der obigen Rechnung betragen die Wellenlängen hier zwischen ca. fünf und einem Meter. Eine ungehinderte Klangabstrahlung der hohen Pfeifen wäre durch die Gehäusekonstruktion von Vorteil, zumal die Pedalladen noch nach C- und Cis-Seite geteilt sind, die tiefen Pfeifen somit in der Mitte stehen und sich nach vorn durchsetzen können. Die kleinen Pfeifen könnten zu den Seiten bzw. seitlich nach oben abstrahlen. Da der ganze Effekt eventuell keine so große Wirkung erzielt, hat der Aspekt der Materialersparnis wahrscheinlich ein größeres Gewicht. Zu dieser ganzen Problematik sollten unbedingt Experimente durchgeführt werden.

 

[1] Vgl. Orgelfragebogen Pressel, 28. November 1937.

 

© 2020 | Michael Wünsche

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